Virtuelle Fische am Institut für Biologie
„Back to the Roots of Mate-choice Copying“
Was ist die relevante Information, die für das Kopieren der Partnerwahl beim Breitflossenkärpfling (Poecilia latipinna) ausschlaggebend ist?
Das DFG-Projekt “Analyse durch Synthese mit virtuellen Fischen als neue Versuchsmethode in Untersuchungen zur Partnerwahl” befasst sich mit der Frage, welche Informationen für die Fische ausschlaggebend sind, um sich für das Kopieren der Partnerwahl zu entscheiden. Die Präferenz für einen Paarungspartner ist häufig genetisch festgelegt. Neuere Erkenntnisse zeigen allerdings, dass auch nicht-genetische Faktoren bei der Partnerwahl eine Rolle spielen können. Bei Tieren, die in Gruppen zusammen leben, kann soziales Lernen die Partnerwahl stark beeinflussen. Individuen einer Gruppe können andere Individuen beobachten und ziehen daraus Informationen über Ihre Umwelt und potenzielle Paarungspartner.
In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass sowohl weibliche als auch männliche Breitflossenkärpflinge (Poecilia latipinna) unter bestimmten Bedingungen die Partnerwahl anderer Artgenossen kopieren und somit auf eine alternative Partnerwahlstrategie zurückgreifen können. Es kann also sein, dass ein P. latipinna Weibchen ein anderes Weibchen seiner Gruppe in Interaktion mit einem Männchen beobachtet und aus dieser Beobachtung den Schluss zieht, sich auch mit diesem Männchen zu verpaaren. Dies geht sogar so weit, dass auch die Flucht eines Weibchens vor einem Männchen bei der Beobachterin zur Ablehnung des Männchens als möglichen Paarungspartner führen kann.
Bisher konnte nicht genau bestimmt werden, welche Informationen entscheidend sind, um ein Kopierverhalten herbei zu führen. Was sind die grundlegenden Mechanismen des Kopierverhaltens? Sind es bestimmte Verhaltensmuster der einzelnen Akteure oder bestimmte morphologische Merkmale? Führt eine Kombination aus bestimmten Merkmalen ein Kopieren herbei?
In verschiedenen Kopierexperimenten soll der Informationsgehalt graduell verändert werden um mehr Licht auf diese Fragestellungen zu werfen. Möglich wird dies durch den Einsatz von computeranimierten 3D-Fischmodellen (Abbildung 1), die in diesem interdisziplinären Projekt vom Institut für Echtzeit Lernsysteme der Universität Siegen entwickelt wurden.
Abbildung 1. Vom echten Fisch zum virtuellen Fischmodell. Mit Hilfe des 3D-Grafikprogramms Blender v. 2.70a (www.blender.org) wurden am Beispiel von echten Breitflossenkärpflingen jeweils ein männliches und ein weibliches 3D Fischmodell erstellt.
Computeranimierte Fischmodelle bieten die Möglichkeit einzelne Parameter, wie zum Beispiel die Flossengröße, beliebig zu verändern (siehe Abbildung 2), wobei alle anderen Faktoren konstant bleiben. Dies schafft kontrollierte Versuchsbedingungen und ermöglicht eine genauere Bestimmung der Relevanz von Quantität und Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen für die Partnerwahl allgemein und im Speziellen für das Kopieren der Partnerwahl, eine faszinierende Partnerwahlstrategie, die von Breitflossenkärpflingen alternativ genutzt werden kann.
Abbildung 2. FishCreator. Anhand von Messwerten und Texturen von echten Breitflossenkärpflingen können in der Applikation FishCreator die verschiedensten männlichen und weiblichen
Fischmodelle erstellt werden. Dabei können sie in ihrer Länge/Breite/Höhe angepasst werden und mit verschiedenen Texturen für Körper und Flossen ausgestattet werden.
In der eigens für das Projekt entwickelten Software FishSim können somit verschiede Fischmodelle erstellt und frei gesteuert werden. Die Modelle werden dann in verschiedenen Wahlversuchen präsentiert. Mit dieser Software ist es möglich, ein Kopierexperiment zu simulieren, wobei dann ein realer Testfisch die Partnerwahl eines virtuellen Artgenossen beobachten kann.
Publikationen
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